Fouls vermeiden – Foulcalls gleichbleibend erheben

DDC2016_BadRaps-OffenseUltimate als regulär körperkontaktloser Sport sieht die Instanz der Beurteilung durch die Spielenden vor

Im Rahmen der Fairplay-Konzeption des Teamsports Ultimate sind die Ausübenden aufgerufen selbst als Schiedsrichtende zu agieren. Dabei kommen gleich im Paragrafen 1 des Regelwerks unter dem Fachbegriff „Spirit of the Game“ zahlreiche Forderungen zur Geltung, deren korrekte Anwendung nicht immer leicht ist (Fotos: Brucklacher).

Insgesamt hat der Flugscheiben-Weltverband WFDF in der international standardisierten Spiritbewertung fünf Bereiche festgelegt, nach denen sich die gegnerischen Teams nach einem Spiel bewerten. Dies sind „Positive Einstellung und Selbstbeherrschung“ – „Fairplay-Einstellung“ – „Respektvolle Kommunikation“ – „Vermeiden von Körperkontakt“ – sowie „Regelkenntnis und -anwendung“. Obwohl diese Bereiche alle miteinander zusammen- und teilweise voneinander abhängen, behandelt dieser Beitrag lediglich den Bereich „Vermeidung von Körperkontakt“.

SOTG_Avoid-Body-ContactZweifellos kommt es im ambitionierten Ultimate-Wettkampf immer wieder einmal zu Körperkontakt, der im Wesentlichen auch nicht beabsichtigt sein sollte. Denn mit dem Regelgrundsatz aus § 1.4 ist auch die körperliche Gesundheit von Gegnerin oder Gegner mit gemeint:

„Hoher kämpferischer Einsatz wird zwar gefördert, darf aber niemals auf Kosten des gegenseitigen Respekts, des Festhaltens an den vereinbarten Spielregeln oder der Freude am Spiel gehen.“

Gegenbeispiele aus der Spielpraxis

Demgegenüber stehen zahlreiche Gegenbeispiele aus der Spielpraxis: In den höchsten Spielklassen in Nordamerika wird bereits verbreitet „mit der Hand am Gegenspielenden“ verteidigt, um schneller auf seine Cuts reagieren zu können. Aber auch im hochklassigen Spiel in Deutschland wird gelegentlich die Hand angelegt, der Ellenbogen ausgefahren oder ein Zusammenprall beim „Zug zur Scheibe“ billigend in Kauf genommen.

DDC2016_CrazyDogs-OffenseBeim Turnier „Rheinwerfen“ bei Bonn kam es beim Zweikampf um die Scheibe zu einem Schlag mit dem Ellenbogen des Verteidigers auf den Kehlkopf des Angreifers, der zu einem mehrfachen Kehlkopfbruch führte. Eine Spielerin wurde bei anderer Gelegenheit jüngst mit einem Kinnhaken von einem Gegenspieler ausgeknockt. Sicherlich ist niemandem Absicht zu unterstellen. Möglicherweise liegen solche Unfälle aber an einer schlechten Selbsteinschätzung oder an einer schlechten Raumwahrnehmung. Beides ist Folge einer offenbar unzureichenden Vorbereitung auf eine optimale Wettkampfleistung oder auch dem Verlust einer angemessenen Spieleinstellung geschuldet.

Teams als Bewahrer des Spirits gefordert

Hier sind Einzelspielende und ihre Teams gefordert, klare Grenzen zu ziehen. Wir müssen uns wieder Regelparagraf 1.4 wieder ins Bewusstsein rufen: Wenn ich eine Scheibe aller Voraussicht nach, ohne mehr als nur beiläufigen Körperkontakt in Kauf zu nehmen, nicht erreichen kann, sollte ich vor einer Kollision zurückziehen. Wenn mir in der Verteidigung die angreifende Person ein ums andere Mal davonläuft, muss ich das akzeptieren und das Team vermutlich die Defense umstellen. Gewalt kann keine Lösung sein, schon gar nicht im Sport Ultimate, der ausdrücklich auf einem „Ehrenkodex“ beruht (Einleitung Regelwerk)

Körperkontakt zu vermeiden bedeutet mehr als von Gewalt abzusehen. „Keine Fouls“ bedeutet auch „faulende“ Gesten und keine verbalen Fouls (verbale Gewalt) einzusetzen. Hier greift wieder einmal die simple Forderung nach wechselseitiger Gleichbehandlung („Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg auch keinem anderen zu!“). Gleichzeitig muss dies aber vor allem auch in den Teams selber angesprochen und durchgesetzt werden. So fordert der Paragraf 1.7.2 sogar ausdrücklich:

„1.7 Die Mannschaften sind die Bewahrerinnen des Spirit of the Game und müssen: 1.7.1. den eigenen Spielenden die Regeln und den Spirit vermitteln; 1.7.2. Spielende disziplinieren, die sich nicht im Sinne des Spirits verhalten; (…)“.

Das Disziplinieren von Spielenden ist entgegen der landläufigen Meinung also sogar in den Ultimateregeln selbst vorgesehen, wohlgemerkt jedoch durch die eigenen Teams.

Konsistenz in Wort und Tat

Bei der persönlichen Beurteilung von Fouls spielen einerseits der Begriff der „beiläufigen Berührung“ und andererseits die Konsistenz-Forderung aus Paragraf 1.3.7. eine besondere Rolle. Bezüglich der Beiläufigkeit ist zu sagen: Wenn mich eine Berührung nicht gestört oder beeinträchtigt hat und wenn sie zu keinem anderen Ausgang des Spielzugs geführt hat, dann rufe ich sie auch nicht. Grundregel: Es ist ein mutmaßliches Foul, wenn es gerufen wurde.

Bezüglich der Konsistenz jedoch sei hier Paragraf 1.3.7 zitiert, der verlangt:

„1.3. Spielende sollen sich bei jeder Meinungsverschiedenheit zwischen den Teams der Tatsache bewusst sein, dass sie selbst als Schiedsrichtende agieren. Dazu müssen sie: (…) 1.3.7. ihre Calls das ganze Spiel über in einheitlicher Weise machen; (…)“.

Dass die Konsistenz-Forderung schwer genug ist, und gerade in Hinblick auf vorbelastende Geschichten zwischen Teams oft nahezu unmöglich, steht auf einem anderen Blatt. Dies hat jüngst Yacine Bara im Skyd-Magazin thematisiert. Dennoch ist dies eine unabdingbare Forderung, wenn das Spiel nach den bestehenden Vorgaben selbstregulierend gelingen soll.

SOTG_Enjoy-PlayingKonsistenz gilt jedoch auch im Bereich „Vermeiden von Körperkontakt“: So wenig, wie ich am Anfang eines Spiels in Gegnerin oder Gegner hineinspringe, so wenig sollte ich es auch am Ende eines möglicherweise hochdramatischen Spiels tun. Das Vermeiden von Körperkontakt hat neben der Selbsteinschätzung und Raumwahrnehmung letzten Endes eben auch mit der eigenen Haltung zum Spiel und zu den Mitspielenden beider Teams zu tun. Siehe § 1.4 und siehe oben die anderen vier Bereiche der Spiritbewertung. Wenn alle sich immer wieder aktiv unsere gemeinsamen Regeln und Prinzipien vergegenwärtigen, tragen wir alle zu positiven und kompetitiven Spielen auf hohem Niveau bei.

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