Einblicke ins AUDL-Schiedsrichten

AUDL-PfostenUnter dem Titel „Schiri, wir wissen, wo Dein Auto steht!“ hat der deutsche Ultimate-Spieler Anatol Dündar („Die 7 Schwaben“ Stuttgart) am 27. Mai 2015 von seinen ersten Erfahrungen als Schiedsrichter in der AUDL berichtet. Er lebt seit Kurzem und auf längere Dauer in New York. Hier folgt der nur leicht eingekürzte Bericht.

Auf der Suche nach einem Masters-Team wurde ich zu einem Spiel der erste Ultimate-Profiliga in den USA, AUDL, eingeladen und sollte, vermutlich infolge von Sprachmissverständnissen, sogar als Schiedsrichter auftreten. Überwindung kostete nicht nur diese lustigen Trikots zu tragen, sondern vor allem die Vereinbarung der Tätigkeit mit meinem Gewissen. Denn ich liebe Ultimate Frisbee genau wegen seines Spiritgedankens, wonach die Sportler selbst auf die Einhaltung der Regeln achten und Verstöße während des Spiels selber ahnden.

Gelegenheit sich eine eigene Meinung zu bilden

AUDL-SchirigespannWenn der Sport weiter wachsen und populärer werden wird, dürfte es in Zukunft wohl nicht mehr ohne Schiri gehen (egal ob wir sie dann Referee, Observer oder Game Advisor nennen…). Eine gute Gelegenheit also, mir ein eigenes Urteil bilden zu können und obendrein gibts auch noch Geld dafür, kostenlosen Eintritt und man ist hautnah an der Action dran – so die Argumente meines Master-Kontaktmannes, der händeringend auf der Suche nach Schiedsrichtern war.

AUDL-SpielszeneVor dem Eröffnungsspiel am Sonntag sollte ich noch beim Training von New York Empire vorbei schauen, bei dem wir Schiedsrichter auch gleich üben konnten. Die Regeln sind im Ursprung gleich zum Ultimate Frisbee, aber natürlich gibt es Details die man wissen sollte, etwa, wie die Yard-Strafen für dies und das sind und vor allem die Handzeichen und Soll-Laufwege für die Schiedsrichter. AUDL-Hand-signalsHausaufgabe war demnach, das Regelwerk durchzulesen und die Handzeichen auswendig zu lernen (siehe die Übersichtstabelle als Spickzettel für die Hosentasche) und auch diese praktischen Youtube-Videos. Es wurde sogar ein Quiz im Internet erstellt, welches man selbständig zur Kontrolle machen konnte und sollte.

Das Spiel fand auf Coney Island im MCU-Stadion statt – zwar noch im New Yorker U-Bahnnetz, aber mit 1,5 Stunden Fahrzeit verbunden. Die professionelle Aufmachung des Eröffnungsspiels war beeindruckend! In den Kabinen hingen die Trikots frisch gewaschen mit Schuhen, Hosen und Warm-Up-Sweater an den Spinden der Spieler. AUDL_Vor-EindrückeEs gab einen motivierenden Stadionsprecher, der das Lineup verkündete und sogar eine live gesungene Nationalhymne – natürlich nur für die Amis; die Gäste aus Montreal mussten zur Musik vom Band salutieren.

Die anderen Referees sind auch alles leidenschaftliche Frisbeespieler und so haben wir zum Aufwärmen auch ein bisschen die Scheibe hin- und hergeworfen.AUDL-Schiriaufwärmen

Action hautnah – Beschimpfungen von Fans inklusive

Die versprochene hautnahe Action ließ nicht lange auf sich warten. Ich war „nur“ Linienrichter, theoretisch aber gleich befugt wie die anderen drei Schiedsrichter zu pfeifen und das Spiel zu unterbrechen. Der erste Pfiff kostet ziemlich viel Überwindung (steht auch im Schiedsrichterleitfaden – man soll ruhig mal vorher üben). Unser Hauptreferee hatte uns allerdings zu Beginn eingeschworen, dass wir hauptsächlich dafür da seien, das Spiel am Laufen zu halten, und möglichst wenig eingreifen sollten, da die Frisbeespieler alle erfahren seien und meist wüssten, was zu tun sei – und erstaunlicherweise hatte er recht!AUDL-Spielszenen2

Die Spieler haben trotz hochkarätigen Ultimates viel Respekt und Fairplay walten lassen – nur die Trainerbank und Auswärtsfans waren sehr unzufrieden und ich war blöderweise auf der Seite der „gegnerischen“ Mannschaft und habe einiges an Wortbeschimpfungen und Unverständnis zu hören bekommen – vermutlich so wie der 4. Offzielle bei Pep Guardiola oder Kloppo…

AUDL-TrainergesteDa ich die Regeln zwar noch durchgepaukt hatte, aber dann doch nicht alles parat hatte (und die anderen Schiris auch noch recht frisch waren), haben wir tatsächlich auch einen Fehler bei der Uhrzeit gemacht und die Auswärtsmannschaft kurz vor der Halbzeit um 5 Sekunden betrogen. Die Uhr wird in den letzten 30 Sekunden jedes Quarters bei einer Unterbrechung angehalten; jedoch wird sie unterschiedlich wieder gestartet. Je nachdem, ob die Scheibe Out-of-Bounce ging oder ob ein Foul die Unterbrechung verursachte, startet die Uhr beim Setzen des Pivot, bzw. erst beim Werfen – das kann man schon mal falsch machen….

AUDL-SchiridiskussionDas Spiel ging relativ knapp mit zwei Punkten Vorsprung für New York Empire aus, was danach ziemliche Diskussionen auf der Verliererseite mit sich brachte. Sie fühlten sich von uns Referees betrogen. Es gab tatsächlich einige knappe Entscheidungen, die mehrheitlich zugunsten von New York ausgefallen waren und auch beim Auszählen – was in der Verantwortung des Feld-Referees liegt, leise geschieht und demnach sehr viel Spielraum lässt – erwischte es Montreal dreimal, wohingegen New York kein einziges Mal dadurch einen Turnover erlitt.

Ich weiß nicht, ob es nur in New York so ist, dass das Schiedsrichtergespann vom Heimteam organisiert wird, aber aus Budget-Gründen vermute ich fast, dass das immer so ist… Man kann nicht verhindern, dass man da nicht auch leicht parteiisch wird: Ich treffe die Spieler jede Woche im Pick-Up oder bei einem Try-Out; wir haben vor dem Spiel zusammen in der Kabine gefrühstückt und danach im Irish Pub ein Bier gehoben… Und dann sind da noch die Zuschauer – nicht megaviele, aber immerhin 100-200, unter denen auch noch einige Freunde und natürlich eingefleischte Fans sitzen.

Schiedsrichter in der Einzelkritik – unentschiedenes Fazit

AUDL-Spielszenen3Mich reizt es schon sehr, auch einmal Hauptschiedsrichter zu machen, da man dort z. B. die Kontrolle über das Anzählen und das höchst kritische Travel (Schrittfehler) hat was jeweils einen folgeschweren Turn als Strafe mit sich zieht. Allerdings muss man daneben noch auf sehr viele andere Dinge achten, wie die Zeichen für die Game-Clock und vor allem natürlich auch die Fouls.

AUDL-SituationsentscheidFast jedes Spiel der AUDL wird entweder von Ultiworld oder sogar ESPN3 übertragen. Wie bei so vielem gehen die Amis danach gern in die Einzelkritik. Jedenfalls gab es im Anschluss ein richtig krasses 15-minütiges Analysevideo, in dem die Schiedsrichterleistung auseinandergenommen wurde. Ich wurde zum Beispiel sogar wegen meiner gelben Schuhe kritisiert, da diese laut Regelwerk schwarz sein sollten. In den Zeitlupen konnte man dann jedoch sehen, dass die meisten Entscheidungen tatsächlich richtig getroffen wurden. Hier ein Screenshot aus dem leider nicht öffentlichen Schiedsrichter-Analyse-Video mit einer knappen „In“-Entscheidung, direkt vor meinen gelben Schuhen:

AUDL_Anatol-RefereeEs ist für mich wirklich schwer, eine Position für oder wider von Schiedsrichtern beim Ultimate zu finden. Der Einfluss und die Macht sind definitiv da und bei einem knappen Spiel ist eine Fehlentscheidung vielleicht entscheidend – genauso ist es aber bei einem „Call“ ohne Schiedsrichter auch. Wie soll man als Schiedsrichter manchen Kontakt sehen und ahnden, wenn ich mir als Spielender auf dem Feld manchmal schon nicht sicher bin…?

Ein definitives Plus ist der Action-Factor: Durch die zeitnehmenden Schiedsrichter (Zeit zwischen den Punkten, Time Out, Zeit beim Anzählen, Zeit um die Scheibe aufzunehmen) ist das Spiel zuschauerfreundlicher geworden. Auch entfallen zeitraubende Diskussionen (die hat man dann danach mit dem Verlierer). Die Leute sind begeistert. Es sind zwar noch keine Massen und noch überwiegend Ultimate Frisbee-Spieler auf den Tribünen, aber es entwickelt sich!

Thanks to Erin, Keith, Anton and Jen for letting me use their photos. Please visit their homepage for more great work: avocebehindthelens.com.

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