Ernährung und Energiebereitstellung beim Sport

Beitrag 3 von 8 Aktivitäten für Frisbeesport-Athlet*innen, solange wegen Covid-19 kein Sport in der Gruppe möglich ist. – Ernährung und Energiebereitstellung beim Sport. – Von Marco Müller #wirbleibenzuhause

Die richtige Ernährung ist ein zentraler Bestandteil von sportlichem Erfolg. Diese Tatsache ist mittlerweile allseits bekannt und Sportler*innen auf der ganzen Welt streben nach der optimalen Ernährung.

Profisportler*innen stellen eigene Ernährungsberater ein und eigens engagierte Köch*innen bereiten perfekt auf die Athlet*innen abgestimmte Speisen vor. Doch auch in den Amateurbereich hat diese Entwicklung Einzug erhalten. Es gibt eine unfassbare Flut an Ernährungsratgebern für jede erdenkliche Situation, und Expert*innen geben auf allen Kanälen Ratschläge für die optimale Ernährung. Dazu erobern neue Superfoods und Nahrungsergänzungsmittel den Markt, die alle von sich behaupten die beste Zusammensetzung für Sportler*innen zu haben und deshalb die einzig wahre Lösung zu sein.

Den Stoffwechsel verstehen

Dieser Beitrag versucht nicht, einer der zahlreichen Ratgeber-Artikel zu sein, sondern zum kritischen Hinterfragen anzuregen. Wir wissen von zahlreichen Situationen im Sport, wie nützlich es sein kann, Prozesse unseres Körpers zu verstehen. Dieser Grundsatz gilt auch für die Ernährung. Schon ein rudimentäres Verständnis von Stoffwechselvorgängen liefert im Zweifelsfall Antworten auf die Frage nach der optimalen Ernährung in verschiedenen Situationen.

Erschwerend kommt hinzu, dass Ernährung in der heutigen Zeit weit mehr als nur die bloße Aufnahme von Energie und Nährstoffen für unseren Körper ist. Ernährung ist heute nicht mehr zu entkoppeln von moralischen, ökologischen, sozialen und nicht zuletzt ethischen Aspekten: „Wenig Kohlenhydrate? Wenig Fleisch? Dafür mehr Fisch? Viele Ballaststoffe? Vegetarisch? Vegan? Gluten- oder Laktosefrei? Nur noch ungekochtes Gemüse? Eine der unzähligen Wunderdiäten? –  Und natürlich ohne Plastikverpackungen“ – Also was kann ich tun als Sportler*in, und wie finde ich mich zurecht in der unendlichen Landschaft der Möglichkeiten sich zu ernähren?

Fokussiert man sich zunächst auf die rein energetische Seite, ist Sport und Ernährung ein simples Zusammenspiel aus Energieverbrauch und Energieaufnahme. Zum Verständnis von Stoffwechselvorgängen hilft dabei ein Vergleich mit etwas, womit wir tagtäglich zu tun haben: Geld. Das Bargeld unseres Körpers, der Stoff mit dem wir Muskelarbeit (und damit Energieverbrauch) bezahlen, heißt Adenosintriphosphat, oder kurz ATP.

Alles dreht sich ums „Geld“

Es ist, wie auch im echten Leben, nicht sinnvoll ständig große Summen an Bargeld mit sich herumzuschleppen und das macht auch unser Körper nicht. Unser ATP-Vorrat reicht nicht einmal für einen 100 m Sprint. Brauchen wir also Geld, dann gehen wir zur Bank und heben etwas von unserem Konto ab, welches in unserem Körper der Energiereserve entspricht. Natürlich können wir nicht immer einfach so zur Bank gehen und Geld holen, weil irgendwann unser Konto leer ist. Dann sind wir darauf angewiesen, dass der Speicher wieder aufgefüllt wird. Im echten Leben bekommen wir Lohn von unserem Arbeitgeber überwiesen, unserem Körper führen wir Energie in Form von Lebensmitteln zu.

Zwei Nationalspielerinnen stärken sich mit Obstsalat

Interessanterweise arbeitet unser Körper wie ein cleverer Ökonom und legt das Geld, das wir täglich brauchen, auf einem Tagesgeldkonto an, welches dem Glykogenspeicher (Kohlenhydratspeicher) entspricht. Dieses Geld können wir jederzeit sofort verwenden, um Energie schnell bereitstellen zu können, die wir im täglichen Leben brauchen. Auf den Sport übertragen entspricht dies kurzen und intensiven bis hin zu mittelfristigen Belastungen. Zusätzliche Einnahmen legt unser Körper effizienter an, indem er etwas für schlechte Zeiten zur Seite legt. Das Konto, auf dem die Überschüsse gespeichert werden, nennt sich Fettreserve. Energie aus diesen Reserven zu mobilisieren dauert deutlich länger, bringt jedoch sehr viel Energie. Auf solche Energiereserven sind wir angewiesen, wenn wir langfristige Investitionen, wie beispielsweise bei einem Langstreckenlauf machen wollen.

Das Limit nicht überschreiten

Welche Konsequenzen leiten sich nun daraus ab? Für uns Frisbeesportler*innen bedeutet dies, dass wir nicht in einen Wettkampf starten sollten, ohne unser Tagesgeldkonto aufgefüllt zu haben. Wir verlangen unserem Körper während des Spiels ab, Energie kurzfristig und schnell bereitzustellen, also sollten wir ihn auch darauf vorbereiten, indem wir vorher Kohlenhydrate auf unser Tagesgeldkonto überweisen. Andernfalls kann es passieren, dass unser Gegner bereits 5:0 führt, bis unsere innere Bank die Reserven aus dem Langzeitspeicher freigegeben hat.

Foto: Bowinkelmann | LSB NRW

Unser Körper ist ein Wunder der Natur und so sind auch die Stoffwechselvorgänge in unserem Körper mit Schutzmaßnahmen versehen. Eine dieser Maßnahmen lässt sich erklären, indem wir weiterhin im Bild bleiben. Unser Tagesgeldkonto hat meist ein tägliches Limit, was uns daran hindert Geld in unbegrenzter Geschwindigkeit auszugeben. Ist dieses Limit erreicht, müssen wir das Tempo drosseln und Einkäufe besser auf den nächsten Tag verschieben. Diese Grenze bildet in unserem Körper die Versorgung mit Sauerstoff, die wir für einen effizienten Stoffwechsel brauchen. Benötigen wir mehr Energie, als wir Sauerstoff über die Atmung zuführen können, bildet unser Körper Lactat, welches irgendwann dazu führt, dass wir „nicht mehr können“ und dazu gezwungen sind eine Pause zu machen. Was sich für eine*n Sportler*in zunächst schlecht anfühlt, ist ein Schutzmechanismus unseres Körpers, der uns vor Übersäuerung und damit verbundenen Schäden bewahrt.

Nahrung liefert mehr als nur Energie

Obwohl die rein energetische Betrachtung für Sportler*innen von großer Bedeutung ist, sind Nahrungsmittel allerdings deutlich mehr als nur ein Energielieferant für unseren Körper. Zusammen mit Zuckern und Fetten nehmen wir auch Proteine auf, die für den Aufbau unzähliger wichtiger Enzyme, aber auch für den Aufbau von Muskeln wichtig sind. Daneben enthalten Lebensmittel Mineralstoffe und Vitamine, ohne die physiologische Vorgänge nicht funktionieren würden. Darüber hinaus spielt für uns als Sportler*innen Wasser eine zentrale Bedeutung. Beim Sport verlieren wir je nach Intensität und Außentemperatur eine Menge Wasser über die Schweißdrüsen. Um diesen Verlust auszugleichen, ist es ratsam beim Sport regelmäßig Wasser zu trinken. Ein Tipp, den man in zahlreichen Ratgebern lesen kann.

Das deutsche Frauen Ultimate-Nationalteam mit seinen Trainern beim gemeinsamen Essen.

Doch auch hier lohnt es sich, einmal genauer hinzuschauen. Schweiß besteht nicht nur aus Wasser. Dass das so ist, sehen wir an den Schweißflecken, die nach der Verdunstung des Wassers auf unserer Kleidung verbleiben. Wenn wir schwitzen, scheidet unser Körper mit dem Wasser auch Mineralstoffe aus, welche dann im Organismus fehlen. Zunächst ist dieser Verlust leicht zu verkraften, aber ein dauerhaftes Schwitzen führt zu einem Mangel an diesen Stoffen. Trinken wir dann mineralstoffarmes Wasser, verstärkt sich dieser Effekt nach und nach, wodurch wir unserem Körper im Extremfall schaden können. Es ist deshalb nicht immer sinnvoll lediglich Wasser zu trinken, sondern auch auf den Mineralstoffhaushalt zu achten. Am einfachsten lässt sich dies über Sportgetränke mit Mineralstoffen ermöglichen. Eine Aufnahme über bestimmte Lebensmittel ist beim Sport aus praktischen Gründen etwas komplizierter, aus physiologischer Sicht jedoch genauso gut.

Was leiten wir daraus ab?

Dieser Beitrag soll eine Anregung sein, sich in der Flut von Ernährungsratgebern und Expertentipps zurechtzufinden. Dazu ist es notwendig sich der oberflächlichen Betrachtung zu entziehen und einmal die Frage nach dem „Warum“ zu stellen. Gute Unterstützung können dabei seriöse Quellen bieten wie:

Ein einfacher Tipp für die Praxis ist jedoch, sich von dem Schwarz-Weiß-Denken in Bezug auf Nahrungsmittel zu lösen, welches einem tagtäglich in der Werbung suggeriert wird. Nahrungsmittel sind nicht gut und schlecht und auch nicht primär gesund oder ungesund. Solange ich mich ausgewogen ernähre und abwäge, was mein Körper für die nächste sportliche Belastung benötigt, ist die Quelle, aus der ich diese Stoffe beziehe, aus physiologischer Sicht nicht relevant.

Bei der Beantwortung der Frage nach der richtigen Quelle helfen dann moralische, soziale, ökologische und ethische Abwägungen, die immer mehr an Bedeutung gewinnen, zunächst aber losgelöst von rein physiologischen Aspekten zu bewerten sind.

Zum Autoren: Marco Müller ist Trainer des deutschen Frauen Ultimate-Nationalteams und Mitglied des DFV-Lehrteams. Er hat Lebensmittelchemie studiert. Zuvor hat er seit 2011 weibliche Jugend-Nationalteams betreut. Selber spielte Marco einige Jahre im deutschen Open Ultimate-Nationalteam und hat mit seinem Heimteam Bad Skid (TSV Massenbach) neun aufeinanderfolgende Deutsche Meistertitel im Open Ultimate errungen.