Manchmal genügt fragen!
Gerade hat Dominik Stampfer eine Stunde lang erklärt, wie er in fünf Schritten den Approach verbessert. Schon wieder habe ich unglaublich viel Lust eine Scheibe in die Hand zu nehmen und zu werfen, zu trainieren und Werfen zu trainieren. So ist es mir in den vergangenen Wochen fast jeden Mittwochabend ergangen. Wie es dazu gekommen ist? weiterlesen… Von Martin Reckmann.
Seit zwei Jahren leite ich ein Anfängertraining für Discgolf beim SC Münster 08. Wir haben mit einer kleinen Truppe begonnen in der Halle Putten zu üben und Fitnessübungen zu machen. Über den Approach haben wir uns unsere ersten Drive-Sessions im folgenden Sommer erarbeitet. Und dann kam Corona, die ersten Trainings wurden abgesagt und eine Zeit lang konnten wir wie viele andere nicht, dann wieder doch, dann unter Auflagen und irgendwann gar nicht mehr trainieren.
Bei der Arbeit im Discgolf-Lehrteam des DFV ist mir aufgefallen, dass es sehr viele interessante Themen im Discgolf gibt, über die es sich zu reden lohnt und über die sich viele schlaue Leute auch schon den Kopf zerbrochen haben. Discgolf ist ein vielseitiger Sport mit einem großen Anforderungsprofil. Neben der körperlichen Fitness ist es auch wichtig Technik, Taktik, Mental Game, Regeln, Ernährung und viele weitere Dinge in den Blick zu nehmen, um das eigene Spiel erfolgreicher zu machen.
Online-Training aus der Not geboren
Aufgrund dieser Überlegungen entstand die Idee, ein Online-Training anzubieten. Die Grundidee war einfach: Wir machen 45 Min. Theorie und danach 45 Min. Praxis. Damit ich die Theorieeinheiten nicht selbst erarbeiten muss, hielt ich es für eine gute Idee einfach mal ein paar gute Leute zu fragen, ob sie mir 45 Min. ihrer Zeit schenken. Und was soll ich sagen, sie haben alle ja gesagt.
In unserer ersten Trainingseinheit habe ich den Plan für die nächsten Wochen sowie die Übungen vorgestellt, die wir ab dann in jeder Woche machen wollten. In unserer zweiten Einheit hat uns Wolfgang Kraus besucht. Der Leiter des DFV-Lehrteams und zig-fache Gewinner vieler großer Turniere berichtete uns über seine persönliche Putt-Philosophie, das richtige Putt-Training und erklärte uns wie schwer es sein kann, seine Komfortzone um wenige 20 cm zu erweitern.
Zeitgleich stolperte ich im Kanal von Simon Lizotte über ein Video mit Sascha Görtz, in dem die beiden Disc Golf Valley spielten. Sascha, einer der weltbesten Spieler in diesem Spiel, sagte unter anderem, dass der Windeinfluss auf die Scheiben einigermaßen gut implementiert sei. Ich fand seine Telefonnummer heraus und in der nächsten Woche waren wir auf seinem Discord-Server zu Besuch, schauten ihm beim Spielen zu und lernten viel über Head- und Tailwind, Geländeeinfluss und die Stabilität von Scheiben.
Ein Münsteraner Ultimate-Spieler, Florian Grüter, ist Sportpsychologe für eine Mannschaft der 1. DDBL und war bereit uns einen Vortrag über Mental Game im Sport zu halten. Er bereitete eine PPP mit 20 Seiten vor und machte uns klar, wie wichtig es ist Zeit im Training darauf zu investieren:
„Sport wird zu 70% im Kopf entschieden, zu 28% spielt die körperliche Verfassung eine Rolle und nur zu 2% die Technik. Dennoch arbeiten 99% aller Amateursportler zu 100% an diesen 2%. (Zerlauth, 2000, S.18)“.
Mit konkreten Tipps für die Praxis gab er uns an den nächsten bekannten Redner weiter. Jörg Benner, Geschäftsführer des DFV aus Köln, zeigte uns, dass zu Discgolf auch allgemeine Fähigkeiten am Wurfgerät gehören, dass Beweglichkeit, Ausdauer und Wurfrepertoire auch im eigenen Wohnzimmer geschult und auch hier geübt werden kann, mehr Spin auf die Scheibe zu bringen. Wie wichtig das wiederum ist, erläuterte uns Birger Schultze (ebenfalls Münster), der uns in seinem Vortrag zur Physik des Scheibenflugs die unterschiedlichen physikalischen Effekte im Scheibenflug erläuterte und es schaffte uns den „Spinning Flight“ näher zu bringen.
Christian Caßebaum, ein weiterer Münsteraner Spieler, erläuterte in der nächsten Woche das Turniersystem in Deutschland und machte klar, dass es nicht reicht sich für ein Turnier anzumelden und das Geld zu überweisen. Man muss schnell sein und, zumindest als Anfänger, auch ein wenig Glück haben, um einen der wenigen Startplätze zu ergattern.
In unserer Whatsapp-Gruppe kamen immer neue, interessante Fragen auf und sie wurde täglich mit Bildern von neuen Scheiben überflutet. Zum Thema Scheibenkunde erzählte eine Woche später Greg Marter viele persönlichen Anekdoten, so zu den ersten Scheiben in Deutschland, zur Entstehung des Ratingsystems von Scheiben („Da ist der Dave rausgegangen, hat ne Scheibe geworfen und gesagt, so, das ist ne drei“) und zur Wichtigkeit einer breiten Ausbildung, damit man einfach mit jeder Scheibe gut werfen kann, lauschen können.
Vermittlung von Technikleitbildern
Eine Woche drauf analysierte Holger Hill, DFV-Lehrteamer aus Hamburg, die richtige Rückhandtechnik beim Drive. Die konkreten Handlungsanweisungen und gemeinsamen Videoanalysen versetzen uns in die Lage den eigenen Wurf schrittweise zu überprüfen und zu verbessern. Frank Neitzel aus Berlin war bereit uns einen neuen Blick auf das Thema „Building a Bag“ zu geben. Auch hier war es hoch interessant weitere, neue, Eindrücke auf dieses komplexe Thema zu erhalten. Philipp Noack, das neuste Mitglied im DFV-Lehrteam aus Tübingen, stellte den Anwesenden mit dem Thema „Scramble Game“ neue Wurfvarianten vor. Der Thumber, die Granade, der Scoober und der Turbo Putt wurden mit konkreten Tipps zum jeweils richtigen Griff vorgestellt.
Der nächste Gastredner auf Wunsch der Teilnehmenden war Radek Scharte, der in kleinen Videos auf YouTube viele Kurse in Deutschland vorstellt. Gemeinsam entwickelten wir eine Präsentation zum Thema „Putten im Wind“ und trafen uns wenige Tage später online zum Vortrag. Zum Thema Vorhand fragte ich Benedikt Heiß, und auch er war gerne zu einem Vortrag bereit. Er kam zu uns ins Training und berichtete auch noch in seinem Podcast „ParTherapie“ darüber. Die Ausführungen über die Wichtigkeit einer guten Ausbildung und über die Arbeit des Lehrteams haben nicht nur unsere Trainingsgruppe, sondern auch das Lehrteam des DFV sehr gefreut. Im Gegenzug wurde beschlossen allen Zuhörer*innen einen Rabatt auf die Ausbildung zu geben, wenn sie bei der Anmeldung einen Code angeben, der in der nächsten Folge (9) genannt werden würde.
Auf diesen hochkarätigen Besuch folgte ein weiterer bekannter Kopf der Discgolf-Szene in Deutschland. Seit 2005 spielt Jan Baess schon PDGA-Turniere, hat mit „The Invisible String“ einen großartigen Film über Frisbee in die Kinos gebracht und ist mit Nordisc und dem Mini-Parcours dabei den Frisbee-Spirit weiter in die Welt zu tragen. Er erklärte uns die Wichtigkeit von Motivation, gutem Feeling und „warum es wichtig ist einen Baum auf der Runde zu umarmen“.
Unser Onlinetraining hat mittlerweile auch fünf Frauen angesteckt. Daher lag es nahe, den Bereich von Frauen im Discgolf näher zu beleuchten. Auf meine Frage hin war Wiebke Jahn aus Helmstedt gerne bereit in einem sehr persönlichen Vortrag über ihren Blick auf den Sport zu berichten und machte uns Lust die nächste Runde in Braunschweig, Hannover oder Helmstedt mit ihr zu spielen.
Zwischenfazit: Wiederholung erwünscht!
Das waren fünf Monate Onlinetraining. Fünf Monate mit grandiosen Gastredner*innen und wöchentlichen Stabis, Übungen und Warm-Ups. Was für eine großartige Erfahrung, was für ein großartiger Input und was für ein großartiger Abschluss, denn gerade hat unser letzter Vortragender Dominik Stampfer seinen Vortrag zum Approach beendet. Er war unser vorerst letzter Redner, da wir nun endlich wieder raus dürfen, um gemeinsam zu werfen, zu trainieren, Werfen zu trainieren.
Erneut habe ich Lust das Gelernte sofort umzusetzen. Allerdings werde ich wie bei vielen der anderen Vorträge, Wochen brauchen, um es systematisch in Training zu integrieren, auf verschiedenen Niveaustufen anzubieten und Erfahrungen für alle meine Teilnehmenden zu ermöglichen. Jetzt können wir in Münster rausgehen und spielen. Dann kommt sicherlich der nächste Winter mit zu kurzen Hallenzeiten und mit weiteren interessanten Fragen und weiteren interessanten Referent*innen, die ich noch nicht gefragt habe, die aber auf meiner Liste stehen.
Auch sei gesagt, dass ähnliche Themen bei der Ausbildung zum*zur Trainer*in beim DFV behandelt werden – eine Anmeldung ist möglich – und auch da gilt: Fragen genügt und: Los geht’s!