Gender-Begriffe und FAQ

Erklärungen zur Richtlinie für trans*, inter* und nicht-binäre Athlet*innen

Die Selbstbestimmung über die Geschlechtsidentität (Begriffserklärungen s. u.) wird in der Gesellschaft weltweit zunehmend anerkannt. Es muss sichergestellt sein, dass trans*, inter* und nicht-binäre Athlet*innen nicht von den Wettkämpfen im europäischen Spitzensport ausgeschlossen werden. Obwohl sich viele Regierungen für den Schutz der Geschlechtsidentität eingesetzt haben, gibt es leider immer noch viele Rechtsprechungen, in denen die Autonomie der Geschlechtsidentität nicht geschützt ist.

Die vorliegende Richtlinie soll dazu beitragen das Recht unserer trans*, inter* und nicht-binären Athlet*innen zu schützen. Sie soll im Allgemeinen ermöglichen, dass Athlet*innen bei DFV-Veranstaltungen und vom DFV sanktionierten Turnieren aller Frisbeesportarten in derjenigen Geschlechtskategorie antreten können, mit der sie sich am meisten identifizieren können. Auch wenn die Spielstruktur innerhalb der binären Geschlechteraufteilung bestehen bleibt, soll trans*, inter* und nicht-binären Personen durch die Richtlinie möglichst viel Freiraum gegeben werden.

Die Richtlinie wurde vom DFV-Gender-Komitee mit Fokus auf Teilhabe aller Geschlechter erarbeitet. Sie wurde in einem offenen Arbeitskreis bestehend aus cis, trans*, nicht-binären und gender questioning Personen durchdacht und wurde somit aus unterschiedlichen Perspektiven und in kontinuierlichem Austausch erarbeitet. Diese Seite enthält neben Begriffsklärungen auch Fragen, die sich im Zuge der Richtlinie möglicherweise stellen. Im ersten Teil werden generelle Begriffe und allgemeine Fragen zur Richtlinie beantwortet und im zweiten Teil Fragen zur Inanspruchnahme der Richtlinie geklärt.

Die Richtlinie soll kontinuierlich angepasst, ergänzt und verbessert werden. Tipps und Anregungen dafür können an gender@frisbeesportverband.de geschickt werden.

Begriffserklärungen

Geschlechtsidentität
Unter Geschlechtsidentität versteht man das tief empfundene innere und persönliche Gefühl der Zugehörigkeit zu einem Geschlecht. Dieses kann mit dem Geschlecht, das einem Menschen bei seiner Geburt zugewiesen wurde, übereinstimmen – muss es aber nicht. Es muss außerdem nicht zeitlich stringent erfahren werden, das heißt es kann sich im Verlauf der Zeit verändern. Geschlechtsidentität manifestiert sich u.a. in der Wahrnehmung des eigenen Körpers und seiner Repräsentanz nach außen.
Gender
Gender ist ein englisches Wort für Geschlecht. Es wird synonym im Deutschen verwendet. (Quelle: Sauer, Arn (2018): LSBTIQ-Lexikon. Grundständig überarbeitete Lizenzausgabe des Glossars des Netzwerkes Trans*Inter*Sektionalität. Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn)
Cis
Cisgender (Lat.: cis = diesseitig); bei cis Menschen entspricht die Geschlechtsidentität dem Geschlecht, das bei der Geburt in die Geburtsurkunde eingetragen wurde. Das heißt, ein Mensch, der bei Geburt männlich eingeordnet wurde und später als Mann lebt, ist ein cis Mann. Ein Mensch, der bei Geburt weiblich eingeordnet wurde und später als Frau lebt, ist eine cis Frau (Quelle: https://genderdings.de/gender-woerterbuch/)
Trans*
Von Trans* spricht man, wenn eine Person sich nicht mit dem Geschlecht identifiziert, dass Ihr bei der Geburt zugewiesen wurde. Begriffe, die ebenfalls dafür verwendet werden, sind z.B. transgender oder Transidentität. Die Schreibweise mit dem * soll verschiedene trans* geschlechtliche Identitäten einschließen. (Quelle: TGNS Transgender Network Schweiz (2019): https://www.tgns.ch/de/information/)
Trans* Frau
Eine Frau, der bei der Geburt nicht das weibliche Geschlecht zugeordnet wurde, ist eine trans Frau. (Quelle: https://queer-lexikon.net/2017/06/08/transfrau/)
Trans* Mann
Ein Mann, dem bei der Geburt nicht das männliche Geschlecht zugewiesen wurde, ist ein trans Mann. (Quelle: https://queer-lexikon.net/2017/06/15/ftm/)
Nicht-binär/non-binär (Non-Binary)
Nicht-binäre (Englisch „non-binary“) Menschen haben eine Geschlechtsidentität, die weder ganz/immer weiblich, noch ganz/immer männlich ist. Viele Nichtbinäre verstehen sich als trans* Menschen, manche aber auch nicht. Manche nicht- binäre Personen können den Wunsch nach Körperveränderungen hin zu einem nicht- binären, „uneindeutigen“, androgynen Geschlechtsausdruck haben, andere nicht. (Quelle: Sauer, Arn (2018): LSBTIQ-Lexikon. Grundständig überarbeitete Lizenzausgabe des Glossars des Netzwerkes Trans*Inter*Sektionalität. Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn.)
Inter*
Inter* ist ein emanzipatorischer Sammelbegriff aus der Community. Er bezeichnet Menschen mit angeborenen körperlichen Geschlechtsmerkmalen, die nicht den gängigen gesellschaftlichen und medizinischen Vorstellungen von männlichen oder weiblichen Körpern entsprechen (lat.: inter = zwischen). Diese Variationen der Geschlechtsmerkmale können auf der anatomischen, chromosomalen oder hormonellen Ebene auftreten und sind gesunde Ausprägungen geschlechtlicher Vielfalt. Die Körper von inter* Menschen sind sehr unterschiedlich. Inter* Variationen können nicht nur bei der Geburt, sondern zu jedem Zeitpunkt im Leben sichtbar werden. Viele Inter* wissen nicht, dass sie selbst Inter* sind. Auch heute noch werden Inter* pathologisiert, also als krank angesehen, und sind massiven Menschenrechtsverletzungen zum Beispiel in Form von uneingewilligten medizinischen Eingriffen ausgesetzt. (Quelle: www.trans-inter-beratungsstelle.de/de/begriffserklaerungen.html)

Fragen zur Anwendung der Richtlinie

1. Ändert die Richtlinie etwas an den Spielberechtigungen von cis Frauen und cis Männern?
Die DFV-Regelung erweitert die open Spielklasse um trans*, inter* und nicht-binäre Personen und die Frauen Spielklasse um trans* Frauen, inter* und nicht-binäre Personen. Für cis Frauen und cis Männer ändert sich nichts.
2. Welche Regelung gibt es, um zu vermeiden, dass cis Männer in der Frauen Spielklasse antreten?
Nach wie wie vor ist es cis Männern nicht erlaubt in der Frauenspielklasse anzutreten. Als administratorische Hürde wirkt das Ummelden des Geschlechtseintrags in der DFV-Datenbank, das nur von der Adminperson eines Vereins vorgenommen werden kann. So kann niemand eigenmächtig seinen Geschlechtseintrag wechseln und der Eintrag wirkt langfristig. Im Ultimate werden die Regeln und der SotG genutzt, um sicherzugehen, dass sich alle Spieler*innen fair verhalten. Ein cis Mann, der die Richtlinien für trans*, inter* und nicht-binäre Athlet*innen für sich nutzt, um in der Frauen Division anzutreten, würde sich dahingehend selbst disqualifizieren.

Im Discgolf sichert der Punkt 6.3 der DGA-Bundesspielordnung, dass niemand in einer falschen Geschlechtsklasse antritt, um sich einen unfairen Wettbewerbsvorteil zu sichern: „Alle Spieler sind verpflichtet, sich an einen professionellen Standard der sportlichen Ethik, der Etikette und der Aufrichtigkeit zu halten, während sie an einem DFV-Event teilnehmen und wenn sie sich gegenüber Medien äußern. Verhalten, das diesen Standard verletzt, ist Gegenstand von Verletzungen der Etikette, die durch andere Spieler angezeigt werden (siehe Regelwerk, Regel 812, Etikette), von Strafen durch den Turnierdirektor und von weiteren disziplinarischen Maßnahmen, die dem DFV angemessen erscheinen.“ In der Schweiz und auch den USA wurden bereits seit ein paar Jahren ähnliche Richtlinien in Kraft gesetzt und es ist bisher nicht vorgekommen, dass diese missbräuchlich, zum eigenen Vorteil von cis Männern genutzt wurden.

3. Ist der Sport noch fair, wenn in den Frauenspielklassen körperlich überlegende Personen (nicht binär, oder trans*) gegen cis Frauen (die vielleicht kleiner/schwächer sind) antreten?
Die Frauenspielklasse bedarf eines besonderen Schutzes. Bei einem Frauenanteil von etwa 33% im Ultimate und 11% im Discgolf (Stand 2022) ist die Förderung und der Ausbau des Frauensports elementar und dringend notwendig. Dies darf jedoch nicht zu Lasten von Spieler*innen geschehen, die mindestens oder noch stärker marginalisiert sind als Frauen im Frisbeesport.

Eine Geschlechtsidentität ist kein Trikot, was man an- und wieder ablegt. Die eigene Geschlechtsidentität zu finden, ist schon für viele cis Menschen eine schmerzbehaftete Erfahrung (z. B. in der Pubertät). Für Menschen mit trans*/inter* oder nicht binären Identitäten ist dieser Prozess (aufgrund der gesellschaftlichen Normen) noch um ein Vielfaches komplizierter. Diese Erfahrungen, kombiniert mit den zwei Leistungsklassen vieler Sportarten (Männer und Frauen) drängt viele trans*, inter* und nicht-binäre Athlet*innen aus dem organisierten Sport. In allen Frisbeesportarten (DDC, Discgolf, Freestyle, Ultimate) werden verschiedene taktische, technische und kraftzentrierte Fähigkeiten kombiniert. Durch diese kann eine (gefühlte) körperliche Überlegenheit ausgeglichen werden.

Hinzu kommt, dass es auch innerhalb der Gruppe von Frauen eine große Varianz an Stärke, Größe, Spielverständnis, Sprungkraft etc. gibt. Daher kommt es sehr wahrscheinlich öfter vor, dass eine cis Frau gegen eine andere, ihr körperlich überlegene cis Frau spielt als gegen eine ihr körperlich überlegene trans*, inter* oder nicht-binäre Person. In diesem Zusammenhang wird die Teilnahme der körperlich überlegenen cis Frau wahrscheinlich nicht als unfair wahrgenommen und es werden Möglichkeiten gefunden gemeinsam am Sport teilhaben zu können. Bei der wettkampfbedingten Begegnung von körperlich überlegenden trans*, inter* und nicht-binären Athlet*innnen, kann dieser Vergleich eine hilfreiche Grundlage zur gedanklichen Auseinandersetzung mit der Thematik sein.

4. Ist es unfair, wenn eine Frau gegen einen trans* Mann antreten muss?
Zu dieser Situation würde es wahrscheinlich nur in der Open Spielklasse kommen, da trans* Männer sich sehr wahrscheinlich nicht der Frauen Spielklasse zuordnen würden. In diesem Fall würde die cis Frau dann aber auch gegen cis Männer antreten.

Zudem kann davon ausgegangen werden, dass es auch unter trans* Männern eine große Vielfalt an Körperformen und athletischen Fähigkeiten gibt. Daher kann es sein, dass ein trans* Mann einer cis Frau körperlich überlegen ist, muss es aber nicht.

5. Was passiert, wenn ich gegen eine trans*,inter*, nicht-binäre Person antrete?
Nichts anderes als beim Wettkampf gegen eine cis Gegner*in. Das Geschlecht der anderen Person sollte dich nicht in deinem Spiel beeinflussen.
6. Wo kann ich mich melden, wenn ich denke, dass sich jemand unter einem falschen Geschlecht gemeldet hat, um sich einen Vorteil zu verschaffen?
Falls Zweifel am eingetragenen Geschlecht einer Athlet*in in der DFV-Datenbank bestehen sollten, kann beim Gender-Komitee des DFV eine Beschwerde eingereicht werden. Siehe hierzu Punkt 4 der Richtlinie: „Zum Schutze der Athlet*innen wird der DFV im Falle von Bedenken von falscher Inanspruchnahme bezüglich einer Person aus einem gegnerischen Team die Situation von Fall zu Fall beurteilen. Dafür wird ein schriftlicher Antrag an gender@frisbeesportverband.de benötigt.“

Über Möglichkeiten wie ein vermeintlicher Betrug direkt während eines Wettkampfs gemeldet werden kann, wird noch mit anderen Verbänden mit ähnlichen Richtlinien abgestimmt. Ziel ist es eine Möglichkeit zu finden, die kein Missbrauch von persönlichen Daten zulässt, aber trotzdem schnell Klärung bietet.

7. Welche Richtlinien gelten in anderen Ländern (Schweiz, USA, EUF)?
USAU (2020): Alle Spieler*innen dürfen in der Geschlechtskategorie antreten, in der sie sich am wohlsten fühlen: https://usaultimate.org/wp-content/uploads/2020/12/USA-Ultimate-Gender-Inclusion-Policy-Approved-11.18.2020.pdf

EUF policy (2018): Ein Jahr nach der Registrierung in der nationalen Federation oder der EUF dürfen Athlet*innen in der Geschlechtskategorie antreten, in der sie gemeldet sind. https://drive.google.com/file/d/1fLwQimGa5e_kDb2NJJTR6tCAV3G1WinE/view

Swiss Ultimate Association (2022): In der Frauenspielklasse dürfen alle Personen antreten außer cis Männer, in der Mixed-Kategorie dürfen jeweils drei/vier cis Männer auf einer Line spielen. Niemand muss sein Geschlecht genauer angeben. Das bedeutet es ist auch eine Negatividentifikation („ich bin kein cis Mann“) möglich. Eine Hormontherapie wird nicht gefordert.

WFDF (2022): Bei einer Transition von female to male/non binary darf sich der*die Athlet*in aussuchen in welcher Spielklasse er*sie antritt. Bei einer Transition von male to female/non binary darf eine Person, die unter 15 Jahre alt ist in allen Spielklassen antreten. Eine Person, die 15 bis 20 Jahre alt ist, muss seit mindestens sechs Monaten vor dem Antritt in der Frauen Spielklasse eine Testosteronwert von 10 nmol/ Liter nachweisen können. Ab 20 Jahren muss eine Spieler*in bei der Transition von male zu female/ non binary einen Testosteronwert unter 10 nmol/Liter in den letzten 12 Monaten nachweisen. https://wfdf.sport/wp-content/uploads/2022/11/WFDF-Transgender-and-DSD-Athlete-Policy-June-2022.pdf

PDGA (2023): In der Open Spielklasse dürfen alle Menschen starten. In der Frauen Spielklasse dürfen cis Frauen, trans* Frauen mit einem Testosteronwert unter 2 nanolmol/ Liter in den letzten 24 Monaten vor einem Wettkampf antreten sowie Personen, die keine männliche Pubertät durchlaufen haben, sondern Hormonblocker vor dem zweiten Tanner Stadium eingenommen haben. https://www.pdga.com/medical/gender-based-division-eligibility

8. Wie verhält es sich mit Menschen, die als divers beim DFV gemeldet sind? Müssen sie sich
einmalig entscheiden, in welcher Geschlechtskategorie sie sich besser aufgehoben fühlen?
Als divers können sich alle Personen melden, die sich nicht dem männlichen oder weiblichen Geschlecht zuordnen. Sie entscheiden dann selbst, in welcher Geschlechtskategorie sie starten wollen.
Das kann beim Ultimate pro Turnier, pro Tag, pro Spiel oder pro Punkt passieren. Wichtig ist, dass auf der Line alle Personen über ihrem Kopf das jeweilige Handzeichen für female matching oder male matching zeigen, damit dem gegnerischen Team klar ist, wer wen matchen möchte.
Beim Discgolf muss eine Person am Anfang der Saison entscheiden , in welcher Geschlechtskategorie sie für das Jahr antritt. Ein Wechsel während der Saison ist deshalb nicht möglich.
9. Seit wann ist die Richtlinie in Kraft?
Diese Richtlinie trat im April 2023 in Kraft und ist von nun an für alle vom DFV sanktionierten Wettkämpfe gültig. Sie soll eine Grundlage für bessere Zugänglichkeit im Frisbeesport bieten. Fragen sowie Hinweise bezüglich in der Richtlinie undefinierte Situationen und für Verbesserungsvorschläge können über die Mailadresse gender@frisbeesportverband.de an das Gender-Komitee gesendet werden.